ArbG Hamburg – Mitbestimmung des Betriebsrates bei Einsatz von ChatGPT und anderen Systemen der Künstlichen Intelligenz

ArbG Hamburg - Mitbestimmung des Betriebsrates bei Einsatz von ChatGPT und anderen Systemen der Künstlichen Intelligenz

Fabian Wilden, Rechtsanwalt

1. Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Tools fallen unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Der Arbeitgeber stellt seinen Arbeitnehmern:innen ein neues Arbeitsmittel unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung. Richtlinien, Handbuch usw. sind somit Anordnungen, welche lediglich die Art und Weise der Arbeitserbringung betreffen, weshalb kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs 1 Nr 1 BetrVG besteht.
2. Legen Arbeitnehmer selbst einen Account bei ChatGPT an und tragen eventuell entstehende Kosten auch selbst, erhält der Arbeitgeber keinerlei Meldung, wann welcher Arbeitnehmern:innen wie lange und mit welchem Anliegen ChatGPT genutzt hat. Dass der Hersteller etwa von ChatGPT die vorgenannten Daten aufzeichnet, ist zu unterstellen. Der dadurch entstehende Überwachungsdruck wird mangels Information nicht vom Arbeitgeber ausgeübt.
3. Auch die Vorgabe, dass Arbeitnehmern:innen Arbeitsergebnisse, die mittels Unterstützung von Künstlicher Intelligenz entstanden sind, kennzeichnen müssen, führt nicht zu einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs 1 Nr 6 BetrVG. Die Kennzeichnung und die damit verbundene Kontrollmöglichkeit erfolgt aber hier durch den/die Arbeitnehmer:in selbst und nicht durch das Tool.

(ArbG Hamburg vom 16. Januar 2024 – 24 BVGa 1/24 – Orientierungssätze des Verfassers)

Die Arbeitgeberin gehört zu einem Hersteller im Bereich der Medizintechnik. Bei ihr besteht ein Konzernbetriebsrat und eine Konzernbetriebsvereinbarung zur Nutzung von Browsern. Nachdem zunächst der Internetzugang auf den Systemen der Arbeitgeberin zu dem KI-Tool ChatGPT gesperrt war, erfolgte im Dezember 2023 eine Freischaltung der Nutzung. Diese kann dabei nur über Webbrowser durch private Accounts und auf alleinige Kostentragung durch die Beschäftigten erfolgen. Betriebliche Accounts wurden nicht eingerichtet, eine Nutzungspflicht der Beschäftigten bestand nicht. In der zeitgleich vorgenommenen Information im Intranet über Leit- und Richtlinien und über ein Handbuch zum Umgang mit KI-Tools erfolgte durch die Arbeitgeberin die Erklärung „Nutzen wir die generative KI als neues Werkzeug, um unsere Arbeit zu unterstützen“. Im Handbuch fand sich die Vorgabe an die Beschäftigten, dass mittels des KI-Tools ChatGPT erstellte Arbeitsergebnisse zu kennzeichnen sind. Der Konzernbetriebsrat hat die Arbeitgeberin am Tage der Freischaltung aufgefordert, die Sperre bis zum Abschluss einer Konzernbetriebsvereinbarung wieder einzurichten. Nachdem diese Aufforderung folgenlos verblieb, hat er ein einstweiliges Verfügungsverfahren aufgrund Verletzung von Mitbestimmungsrechten eingeleitet. Ziel dieses Verfahrens war, dass der Arbeitgeberin die Nutzung des KI-Tools ChatGPT und anderer Systeme der Künstlichen Intelligenz untersagt wird, solange nicht die Zustimmung des Konzernbetriebsrats hierzu oder die Ersetzung derselben in der Einigungsstelle erfolgt. Seinen entsprechenden Antrag hat der Konzernbetriebsrat unter anderem damit begründet, dass durch das Vorgehen der Arbeitgeberin das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten im Betrieb betroffen sei und dass das KI-Tool ChatGPT und andere Systeme der Künstlichen Intelligenz, auch wenn sie über private Accounts benutzt werden, technische Einrichtungen seien, die zur Verhaltens- und Leistungskontrolle der Beschäftigten geeignet sind. Schließlich sei auch der Gesundheitsschutz betroffen, da mit der Einführung einer solchen Software psychische Belastungen einhergehen würden.
Das ArbG Hamburg ist dem nicht gefolgt und hat den Antrag des Konzernbetriebsrats abgewiesen, da eine Verletzung von Mitbestimmungsrechten nicht ersichtlich sei. Die Arbeitgeberin würde durch die Freischaltung der Nutzung den Beschäftigten ein neues Arbeitsmittel unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung stellen. Die Leit- und Richtlinien und das Handbuch würden daher Anordnungen darstellen, die die Art und Weise der Arbeitserbringung, und damit das Arbeits- und nicht das Ordnungsverhalten im Betrieb betreffen. Da die Nutzung der freigeschalteten KI-Tools durch die Beschäftigten selbst und auf eigene Kosten eingerichtet wird, erhalte die Arbeitgeberin keinerlei Meldung, wer und in welchem Umfang eine Nutzung vornimmt. Daher handele es sich bei dieser Nutzungsform nicht um eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt wäre, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Dass im Browserverlauf die Zugriffe abgebildet sein könnten, sei, da eine Konzernbetriebsvereinbarung zur Browsernutzung bestehe, unerheblich. Auch daraus, dass die Beschäftigten selbst eine Kennzeichnung vornehmen müssen, wenn sie KI-Tools zur Erstellung von Arbeitsergebnissen einsetzen, resultiere kein anderes Ergebnis. Denn dann erfolge die Kontrollmöglichkeit durch die Beschäftigten selbst und nicht durch das KI-Tool. Der Gesundheitsschutz sei in mitbestimmungsrechtlicher Hinsicht schließlich nicht betroffen, da keine konkreten Gefährdungen vorgetragen oder erkennbar sein.

Fazit:
Die Entscheidung des ArbG Hamburg ist bereits vor dem Hintergrund, dass sie im einstweiligen Verfügungsverfahren mit nur eingeschränktem Prüfungsmaßstab ergangen und eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren noch offen ist, mit gebotener Vorsicht zu betrachten. Daneben handelt es sich bei dem zugrundeliegenden Sachverhalt um einen, der als untypisch anzusehen sein dürfte. Denn in der Regel wird arbeitgeberseitig, schon aus Datenschutzgründen, die Einführung auf den eigenen Computer-systemen oder unter Nutzung eigener Accounts der Arbeitgeberin folgen. Die Fallkonstellation ist aber insoweit aufschlussreich, als hierin deutlich wird, dass Gremien ganz genau betrachten und prüfen müssen, wie die Nutzung von KI-Tools (englisch AI-Tools) und anderer Systeme der Künstlichen Intelligenz erfolgen soll.
Inhaltlich ist die Entscheidung in ihrer Pauschalität nicht nachvollziehbar. Sie betrachtet nicht ausreichend, dass arbeitgeberseitige Weisungen nicht im Hinblick auf die private Lebensführung erfolgen können. Wenn daher an die Beschäftigten eine Vorgabe mittelts Richtlinien oder Handbüchern erfolgt, wie die Nutzung von KI-Tools o.ä. auf privaten Accounts stattzufinden hat, drängt sich eher auf, dass es sich hierbei um eine allgemeine Regelung handelt, die das Verhalten der Beschäftigten innerhalb der betrieblichen Ordnung betrifft. Unbeachtet bleibt, dass Arbeitgeber durch die bereits bestehenden technischen Einrichtungen auch den Zugriff auf zur privaten Nutzung freigeschaltete KI-Tools o.ä. nachvollziehen können. Es ist daher bei der Freischaltung und Erlaubnis der privaten Nutzung nicht ausgeschlossen, dass hierdurch u.a. Zugriffszeiten/-häufigkeit nachvollzogen werden können und damit hierüber eine Verhaltens- und Leistungskontrolle stattfinden kann und eine solche bewirkt wird. Bestehende betriebliche Regelungen können dann einem Mitbestimmungsrecht aber nur entgegenstehen, wenn sie diesbezüglich einschlägige und abschließende Regelungen enthalten. Schließlich ist die Mitbestimmung des Betriebsrates im Rahmen des Gesundheitsschutzes nicht darauf beschränkt, lediglich bei Vorliegen einer konkreten Gefährdung oder deren Eintritt dessen Beteiligungspflicht zu begründen.
Gremien sollten sich daher nicht unter pauschalem Hinweis auf die Entscheidung des ArbG Hamburg davon abhalten lassen, trotzdem zu überprüfen, ob in der von der jeweiligen Arbeitgeberin angestrebten Nutzung, Freischaltung oder anderweitigen Einführung und Anwendung von KI-Tools und anderen Systemen der Künstlichen Intelligenz nicht doch eine solche zu erblicken ist, die ihre Beteiligung zwingend erfordert.

Fabian Wilden, Rechtsanwalt
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